Corona - die Welt im Ausnahmezustand
- Janine Brodbeck
- 14. Apr. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Dez. 2020
Was auch immer hier grad geschieht, es ist eine unglaublich spannende Zeit!...
Es ist wichtig zu sagen, dass ich aus der Komfortzone heraus über mein Erleben und meine Gedanken zu diesem Virus schreibe. Ich kenne keinen Menschen, der daran ernsthaft erkrankt ist, ich habe keine Angst (sicher auch, weil ich nicht zu einer Risikogruppe gehöre, sondern körperlich und mental fit bin). Das einzige, was mich tangiert, sind die Einschränkungen durch die Massnahmen, die der Bundesrat verfügt hat. Und selbst diese erlebe ich ganz persönlich in vielerlei Hinsicht als Segen. All das prägt meine Perspektive. Ich möchte alle Mitmenschen respektieren, die um sich oder andere Angst haben, die dem Schrecken in irgend einer Weise ins Gesicht sehen und die einfach eine völlig andere Sicht haben als ich. Ich möchte niemanden verletzen, niemanden verurteilen, aber ich möchte euch allen zurufen: "Lasst zu, dass ihr es NICHT WISST, lasst auch andere Denkarten an euch heran und trefft möglichst aus eurer liebenden Mitte heraus eure Entscheidungen."
Zuerst wollte ich dazu auffordern, sich genauer zu informieren, genau hinzuschauen und auch alternative Medien anzusehen. Das finde ich gut. Nur habe ich selber gemerkt, dass es mich nicht wirklich weiterbringt, mir immer mehr Infos reinzuziehen. Und ich habe den Eindruck, es bringt uns als Menschen nicht wirklich weiter. Es ist eine Suche und ein Ringen um Wissen, um Verstehen der Zusammenhänge - alles gut. Nur bin ich wohl zu klein (und sind wir das nicht alle?), die Wunder und Gesetze und Zusammenhänge in ihrer Grösse zu sehen. Immer nur ein Stück, und jenes vermischt sich mit unserer Geschichte, unseren Überzeugungen. Die Information, sowohl der einen Seite als auch der anderen, fällt in uns auf das, was wir schon zu wissen glauben, und bestätigt uns immerfort. Neue Information kommt in uns nur dann an, wenn wir sie mit innerer Offenheit betrachten, wenn wir bereit sind, sie als Teilwahrheit zu anerkennen. Wenn wir nach Beweisen suchen für das, wovon wir sowieso schon längst überzeugt sind, werden wir nur immer verbohrter, enger und ungeduldiger mit all den Andersdenkenden. Suche die Beweise, und du wirst sie finden. Die, die etwas anderes glauben, werden plötzlich zu Gegnern. Das passiert aktuell in so vielen Familien, in Paarbeziehungen und unter langjährigen Freunden. Und mittlerweile kann ich fast zusehen, wie sich unsere Gesellschaft in zwei Lager spaltet. Während die "Rebellen" gegen alle Massnahmen am liebsten auflehnen würden und jene als dumm und naiv bezeichnen, die den Aussagen von BAG und Bund Glauben schenken, werden sie von ebendiesen als egoistisch und ebenso dumm bezeichnet. Harte Urteile. Verhärtete Fronten. Ein Krieg im Kleinen? Die Worte von Macron, wir würden uns im Krieg gegen das Coronavirus befinden, fand ich sehr übertrieben. Aber nun mache ich mir Sorgen, dass wir immer mehr in einen Krieg gegeneinander geraten, indem wir einander Andersdenken nicht mehr zugestehen.
Ich möchte euch ermutigen, Fragen zu stellen. Nicht rhetorische. Echte Fragen an euch, an eure Liebsten, an die Politik, die Medien. Recherchiert (wenn ihr noch mögt) und diskutiert mit möglichst grosser Ergebnisoffenheit. Fragt kritische, interessierte Fragen, die das Dahinter, das Darunter und Darüber ergründen. Und bei jeder Antwort wisst, es ist ein Teil der Wahrheit, eine Perspektive. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Natürlich möchten wir jetzt einfache Antworten, Klarheit, in Gut und Böse einteilen. Aber die Antworten werden widersprüchlich sein und doch nicht falsch, doch nicht gelogen - ja Leute, so komplex ist unsere Welt!
Was ich aktuell in vielen Berichten, Videos und Gesprächen erkenne, ist die Angst. Angst vor dem Virus, vor Schmerz und Ohnmacht, Angst davor, jemanden zu verlieren, Angst vor finanziellem Ruin, vor dem Verlust der eigenen Freiheit, dem Verlust sozialer Kontakte, vor Kontrolle, Streit, Krieg. ANGST.
Auf der anderen Seite erkenne ich viel Liebe und Vertrauen. Die Zuversicht, wir schaffen das, die Hoffnung, dass wir als bessere Menschen in einer besseren Welt leben werden (vielleicht ohne genau zu wissen, was denn "besser" überhaupt sein soll). Zu fühlen, dass es irgendwie gut tut, herunterzufahren, langsamer zu werden, sich auf Wesentliches zu fokussieren. Dass sich die Natur erholt und Solidarität wieder zu einer Nähe führt, die vor "Social distancing" nicht möglich war. HOFFNUNG und VERTRAUEN.

Und mich schlägt es von einer Seite zur anderen, wirbelt es zwischen den Polen durcheinander. Einmal erkenne ich, wie wunderbar wohltuend es ist, wenn keine Flugzeuge am Himmel brummen, die Autos stillstehen und ich viel Zeit für Langsamkeit und Innenschau habe. Dann wünsche ich mir, dass dieser Zustand noch etwas länger anhält und wir wirklich bis in unsere Tiefen verändert werden können - jeder Mensch, aber vor allem unsere gesellschaftlichen Konzepte, die irgendwie so nicht mehr ganz aufgehen in Bezug auf Menschlichkeit, Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit. Darauf folgt zuweilen das schlechte Gewissen. Was, wenn wirklich noch so viel mehr Menschen an dem Virus sterben müssen? Wie kann ich da nur wünschen, dass es lange dauert? Oder jene, die ihren Job verlieren? Dann wiederum vermisse ich meine Freunde, möchte sie endlich wiedersehen und wiederumarmen.
Manchmal frage ich mich stutzig, was eigentlich noch mit dem Virus zu tun hat und was nur an den Massnahmen, die daraus (oder nur unter dessen Vorwand?) abgeleitet wurde, meine zuweilen zu Wissen, dass alles masslos übertrieben ist und da etwas ganz anderes dahinter steckt (wenn ich nur wüsste, was es ist). Dann möchte ich aufschreien, mich allem widersetzen, bin ich ohnmächtig und habe Angst.
Ich weiss nicht - irgendwie komme ich mir als braves BAG-Lamm genauso blöd vor, wie als Verschwörungsgläubige - beides stimmt nicht in seinem Kern. Oder eben; stimmt UND ist nur ein Teil des Ganzen, ist zu vereinfacht für die Komplexität des Lebens.
Drum werde ich mich üben, im Nichtwissen zu verweilen.
Es ist nicht mehr unsere Natur, die Wunder des Lebens staunend zu betrachten. Alles Mystische wird in unglaublicher menschlicher Anstrengung zu fassen versucht und in Theorien gebettet. Menschen sind sogar zum Mond geflogen (wobei ja sogar das angezweifelt wird) und versuchen, ALLES zu verstehen und sich zu eigen zu machen. Und doch kriegen sie das WUNDER darin nicht zu fassen. Corona ist für mich so eine Sache. Vielleicht ist es nicht ganz passend, hier von "Wunder" zu sprechen. Ich meine damit das Unergründliche, das Unsagbare, das Unbegreifliche. Ich kann nicht begreifen, was genau geschieht, warum es geschieht und welche Folgen es haben wird. Und wenn es überhaupt einen gibt, welchen grösseren Sinn. Ich höre und lese Argumente der „Verschwörungstheoretiker“, ich höre und lese die Argumente der Medien/des BAG/des Bundesrates, und ICH WEISS ES NICHT! Ich weigere mich, so zu tun, als ob...
Und doch muss ich tagtäglich für mich Entscheidungen treffen. Ich versuche, meine Entscheidungen ganz persönlich zu begründen, trotz meiner Unsicherheit und meinen offenen Fragen eine Wahl zu treffen. Ich versuche, statt im Kampf meine Wahl zu verteidigen und gegenüber anderen durchzusetzen, einfach meinen eigenen Weg zu finden. Und ich betone, dass dies die Wahl ist, die ich JETZT treffe, und dass sie morgen schon anders aussehen kann.
Comments