top of page

Rituale 3 - medicine walk

  • Janine Brodbeck
  • 6. Feb. 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Der medicine walk oder die Medizinwanderung ist mir bekannt von der Visionssuche. Sie wurde uns damals als Vorbereitung für die viertägige Schwellenzeit vorgeschlagen. Ich nutze sie gerne auch bei einem kurzen Aufenthalt in der Natur.

Jederzeit kann ich der Natur eine Frage stellen und ihr (mir) Zeit lassen, zu antworten. Dazu bin ich in der Regel schon eine weile draussen in der Natur unterwegs. So wie ich eben bin, gehe ich meist nicht mit dem Ziel eines medicine walk nach draussen, sondern es fällt mir irgendwann ein und ich mache das spontan. Alles andere ist aber natürlich genauso richtig. Vielleicht ermutigen ich dich mit meinen Erzählungen dazu, es auszuprobieren oder erinnere dich an etwas Altbekanntes.


Ich überlege mir eine Frage zum Thema, das mich beschäftigt. Ich stelle diese in meinem inneren Dialog an die Natur. Ich gehe über eine Schwelle. Das kann ein Baumstrunk sein, ein "Tor" aus Ästen o.ä. und ab jetzt betrachte ich alles als Zeichen und Metapher. Ich halte Ausschau nach Antworten auf meine Frage und lasse mich inspirieren. Es folgen ein paar Beispiele, welche Antworten und Weisheiten ich durch Naturmetaphern empfangen durfte.



Schneckenhäuser für meinen Herzmann

Ich verbringe mit Massimo Zeit in der wunderschönen Natur rund um unser Zuhause in Spanien. Wir begeben uns beide in einen meditativen Zustand und lassen uns in die Natur hineinziehen, je in einer Weile Solo-Zeit. Wir wollen uns etwas gegenseitig schenken. Es braucht nur ein paar Augenblicke, da finde ich das Richtige. Massimo hat zuvor auf einem kleinen Strauch einige Schneckenhäuschen aufgesteckt, von denen ich mich inspirieren lasse. Ich führe das Werk weiter, sammle Schneckenhäuschen, die hier zu tausenden überall herumliegen. Stecke sie auf die feinen Ästchen des Gebüschs und sammle weitere und mehr und mehr. Ich schenke damit meinem Liebsten symbolisch mein Ja dazu, dass er sich zurückzieht, wenn er es möchte und es ihm gut tut. Die Schneckenhäuschen sind quasi die Gutscheine für Rückzug von mir, von unserer gemeinsamen Bubble, hinein in seine eigene Welt. Und falls die Schneckenhäuschen mal aufgebraucht sind, liegen draussen noch weitere tausend und abertausende.



Meine eigenen Wege gehen

Auf einer Schneeschuhwanderung bemerke ich, dass ich immer neben den Spuren von anderen Menschen laufen will (obwohl der Weg in dieselbe Richtung geht und obwohl es bequemer wäre, in den Spuren zu gehen). Ich möchte eigene, am liebsten ganz neue Wege gehen, neue Spuren machen, am liebsten quer durch den Wald. Das ist manchmal etwas anstrengend, wenn es steil bergauf geht, wenn ich ins Rutschen komme, sogar mal stürze und weich im Schnee lande. Ich lache und habe Freude. Liebe die möglichst unberührte Landschaft, die verwunschene Märchenwelt. Mag es nicht, wenn vor mir oder hinter mir Menschen sind, suche das Alleinsein. Meinen ganz eigenen Weg gehen. In Bezug auf ein aktuelles Lebensthema macht das grad so viel Sinn. Es gibt spezielle Wege, fernab von Mainstream. Ich kann den Impulsen des Lebens folgen und freudig spannende Erfahrungen machen.


Zwiegespräch mit einer Rotbuche

Ich führe ein inneres Zwiegespräch mit einem Bäumchen. Die Buche ist oben verletzt, abgebrochen am Hauptstamm. Aber daneben gibt es neuere Äste, die ihr eine neue Krone machen. Sie hat einzelne Blätter bis oben. Der Dialog geht etwa so.

Ich: "Du bist so alleine hier, keine Kinder in der Nähe". Buche: "Ich habe tausende Kinder, aber die gehen alle ihren eigenen Weg. ALLE Kinder gehen auch wieder ihren eigenen Weg." Ich: "Du stehst da so, dein abgebrochener Stamm und die Ästchen mit den Blättchen. Ja, du hast erschwerte Bedingungen in dem steilen Hang, aber strahlen tust du nicht gerade."

Sie: "Bin ich deswegen weniger wert?"

Ich: "... nein..." Sie: "Wir können nicht alle gleich strahlend sein."

Ich: "Aber du wirst kaum beachtet, nicht so wie der schöne Baum auf dem Hügel."

Sie: "Und bin ich deswegen weniger wert als er?"

Ich: "...nein. Aber wir geben dir weniger Aufmerksamkeit als einem strahlend schönen, kräftigen Baum, oder einem knorrigen Baum."

Sie: "Bin ich weniger wert, wenn ich ganz einfach, unspektakulär da bin? Es braucht auch die Unauffälligen, Gewöhnlichen. Es müssen nicht alle strahlen."

Ich: "Wie bei uns Menschen. Alle sind gleich viel wert."

Sie: "Ja, und nun die Seele deines Kindes. Ist sie weniger wert, wenn sie nicht auf die Erde kommt?" Ich: "...nein..." Sie: "und wieviel Wert du und die Menschen den Dingen gebt, entscheidet ihr selber."



Die Wurzeln

Auf die Frage, wann es Zeit ist, einen Wunsch loszulassen, "sprachen" ein Baum und seine Wurzeln zu mir. "Ich strecke meine Wurzeln in die Erde hinein. Mal gebe ich mehr in die eine, dann mehr in die andere. Und sie wachsen und nähren sich aus dieser Erde. Egal, welchem deiner Themen du Aufmerksamkeit gibst, es wird dich auch nähren und wachsen lassen.

Und eines Tages wird die Zeit gekommen sein, in der das Loslassen nötig wird. Wie bei meinen Blättern. Manche lasse ich schon früh zu Boden fallen. Andere bleiben hängen, vielleicht halte ich sie fest, oder sie halten sich noch an mir, bis eines ein starker Wind sie mir dennoch entreisst. Du kannst festhalten, du kannst loslassen, egal. Wenn es Zeit ist, wird es kein Halten mehr geben."


Die Natur lehrt mich, immer wieder, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Ich kann es so machen oder anders, es ist einfach meine Art und mein Weg. Es gibt kein Urteil, Die Natur hat für alle Lebensarten, alle geraden und schrägen und knorrigen und dicken und dünnen und gesunden und kranken einen Platz. Und es ist alles im Wandel. Dinge verschwinden und andere Wachsen. Und es ist immer alles richtig. Und weil ich im Kern ja auch Natur bin, weshalb sollte es bei mir anders sein? Ist das nicht beruhigend?


 
 
 

Comments


TIEFER leben und wirken

Janine Brodbeck

Burgernzielrain 4

3006 Bern

Tel.: +41 76 373 24 34

tieferjanine@gmail.com

© 2024 Janine Brodbeck

 

bottom of page